Dannenberg. Märchen und freies mündliches Erzählen gehören seit 2016 zum geistigen Weltkulturerbe. Der jährlich stattfindende „Weltgeschichtentag“ entstand 2004 als neue Fassung des schwedischen Vorgängers von 1991/92, dem „Tag des Geschichten Erzählens“.
Die Märchen- und Geschichtenerzählerin Christiane Raeder hat ihre Freude daran, den Blick auf das freie mündliche Erzählen zu richten, damit alte Geschichten und Märchen nicht verloren gehen und wieder einen Platz in der heutigen Welt finden zu können.
Das mündliche Erzählen selbst sei als „Brücke“ zu verstehen, richte sich an die weltweite Verbundenheit von Erzählern und Zuhörern, erfreue sich am Reichtum der Sprache, des überlieferten Wortes, der Bilder und führe auch dazu, neue Kontakte zu knüpfen.
Am 20. März 2024 wurde der Weltgeschichtentag auf ihre Initiative hin auch in Dannenberg gefeiert. Ihrer Einladung ins Marionettentheater Dannenberg, das sich als geeigneter Veranstaltungsort zeigte, waren über 30 Menschen gefolgt. Mit ihr brachten vierzehn Frauen und Männer bekannte aber auch frei erzählte Geschichten und Lieder zum eigenen Ausdruck, belohnt durch freudigen Applaus des Publikums.
Dem diesjährigen Motto „Brücken bauen“ fügte Christiane Raeder ein Weiteres hinzu: Das „Erzählen für den Frieden“. Zudem wird am 20. März auch der „Weltglückstag“ gefeiert. Er wurde am 28. Juni 2012 von der Generalversammlung der Vereinten Nationen beschlossen, die mit dem Weltglückstag weltweite Politikziele verbinden, und findet seit 2013 statt.
Brücken bauen – Frieden – Glück, alles gehört irgendwie zusammen.
Christiane Raeders Idee: „Warum erzählen wir nicht so lange Geschichten, bis endlich Liebe und Frieden unter den Menschen herrscht.“ Ein Blick in die Geschichte überlieferter Erzählungen zeigt, dass die Menschheit sich von jeher genau damit schon lange beschäftigt: Gewalt und Kriege zu beenden. Frieden einkehren zu lassen.
Als Inspiration zu ihrer Veranstaltung des Weltgeschichtentags bezog sie Rafik Shami‘s letzten Roman „Wenn Du erzählst, erblüht die Wüste“ mit ein.
In einem arabischen Land fällt die Tochter des Königs nach dem Tod der Mutter durch ein Attentat in tiefe Depressionen. Überdies hatte sie sich in den armen Fischer verliebt, von dem ihr Vater nichts ahnte.
Der Kaffeehauserzähler Karam, der von ihrer Krankheit erfährt, versammelt daraufhin alle Menschen um sich herum und erzählt Geschichten von Mut, Feigheit, Freundschaft, Feindschaft, der Liebe und Weisheit des Herzens. Aber auch die Besucher können sich mit ihren Geschichten beteiligen und erzählen. Ihr Ziel ist es, die junge Frau damit ins Leben zurückzuholen.
Sozusagen eine Hommage der Geschichte aus „Tausendundeiner Nacht“, die Christiane Raeder als Auftakt des Abends wiedergibt: König Shahryar wurde von seiner Frau betrogen, tötet sie und fortan alle Frauen, nachdem er eine Nacht mit ihnen verbracht hat. Scheherezade, die Tochter des Wesirs, will das Morden beenden. Sie erzählt dem König 1001 Nacht lang Geschichten erzählt, bis er von seinem Vorhaben ablässt. Der Gedanke dahinter: Geschichten oder Leben.
Auch ein wahrhaftiges Erlebnis aus dem griechischen Flüchtlingslager Moria von einer Teilnehmerin des Abends in Versen dargeboten zeigte, wie die heutige Welt immer noch in Kriege und Armut verstrickt ist, es aber auch Hoffnungsschimmer gibt.
Eine friedvolle Geschichte der Auftritts-Gruppe des Dannenberger Improtheaters „Fiese Matenten“, gemeinsam mit dem Publikum entwickelt, belegte, wie sehr wir uns nach Liebe und Frieden sehnen.
Der Abend wurde zu einer Begegnung persönlicher Erlebnisse, überlieferter und in eigenen Versionen dargebotener Märchen, Erzählungen sowie Brücken- und Friedenslieder, zusammen gesungen mit dem Publikum. Auf die Zusage einer Wiederholung und den Abschiedsworten „Schön, dass Ihr diesen Abend mitgemacht habt. Ich bin total glücklich“, erhielt Christiane Raeder unisono ein „wir auch“ aus dem Publikum.
Regine Henry / 26. April 2024 /
Fotos: Regine Henry